FUTURES LITERACY

Was bringt die Zukunft?

Als Zukunftsforschende werden wir oft gefragt, welches die wichtigste Zukunftskompetenz ist. Die Antwort ist, wir wissen es nicht, denn niemand weiß, was die Zukunft bringt. Aber wir können lernen, ihr offen zu begegnen und sie mit neuen Ideen und durch eigenes Handeln selbst zu gestalten.

Zukunft ist nicht mehr als mentale Konstruktionen. Jeder Mensch, jede Kultur und jede Generation hat einen ganz eigenen Blick auf Zukünftiges. Da wir die Zukunft nicht kennen und es nicht die eine Zukunft gibt, sprechen wir von Zukünften.

Zukünfte statt Zukunft!

 

Wie selbstverständlich nutzen wir täglich den Begriff Zukunft. Aber die wenigstens von uns haben sich wohl einmal tiefer damit befasst, was wir eigentlich meinen, wenn wir den Begriff Zukunft verwenden. Sprechen wir vom Morgen oder meinen wir die Welt in hundert Jahren? Geht es um die Zukunft in meinem Leben oder um große Science Fiction Ideen?

Zukunftsforschende nennen Zukunft auch “das Werdende”. Sie unterscheiden u. a. zwischen plausibel, möglich, wahrscheinlich und wünschbar. Denn Zukunft ist nicht nur etwas sehr Dynamisches, das sich aus einem ständigen Wechselspiel aus Beständigkeit – Status Quo – und neuen Ereignissen ergibt, sondern hat im Wesentlichen primär mit Wahrnehmung zu tun.

Zukunft ist mehr als nur ein Zeitkonstrukt. Zukunft ist ein Raum, ein Raum, der gestaltbar ist. Der Weg in die Zukunft ist komplex und nicht linear. Statt “Wie wird die Zukunft werden?" müssen wir fragen "Wie wollen wir, dass sie wird?". Dies gibt uns eine aktive Rolle und eröffnet einen Gestaltungsraum.

Zukunftsforschung, Wissenschaft der Glaskugel?!

Die Zukunftsforschung beschäftigt sich mit der Konstruktion (Zukunftsbilder entwickeln) – und Dekonstruktion (Vorstellungen analysieren) von Zukunftsvorstellungen.

Spätestens mit dem Beginn der weltweiten Coronapandemie haben wir gemerkt, dass die gern und vielfach gestellte Frage: “Wie wird die Zukunft werden?” oft nicht wirklich zufriedenstellend beantwortet werden kann, auch nicht von Zukunftsforschenden. Die Arbeit von Futurist:innen liegt daher vor allem darin, Menschen und Organisationen aus dem Gedankenkonstrukt der „permanenten Gegenwart“ also der natürlichen Voreingenommenheit zu befreien, die dazu führt, dass wir gegenwärtige Bedingungen automatisch in die Zukunft projizieren.

Statt die Zukunft nur zu verstehen, wird es wesentlicher, die Zukunft auch „zu nutzen“, d.h. eine aktive und vor allem partizipative Gestaltung vorzunehmen. Hierfür braucht es eine Futures Literacy.

Was ist Futures Literacy?

 

Unter dem von der UNESCO entwickelten Konzept »Futures Literacy« versteht man die Befähigung des Menschen zum aktiven Zukunftsdenken. Dabei geht es z. B. darum, die Auswirkungen des eigenen Handelns frühzeitig zu verstehen, indem wir uns im systemischen und vorausschauendem Denken üben, uns aber zugleich auch eine Offenheit für Neues und Nichtwissen aneignen. 2019 durften wir unseren Futures Literacy Ansatz beim UNESCO Futures Global Design Forum in Paris vorstellen.

Der Begriff Futures Literacy (FL) leitet sich dabei aus dem Englischen ab, wo Literacy ein Set aus Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen beschreibt, die die Entwicklung des Lesens und Schreibens fördern. Bezogen auf Zukunft meint Literacy eine Art Zukunftsalphabetisierung oder Zukunfts-kompetenz. Gemeint ist die Fähigkeit, zu wissen auf welcher Basis Zukunft entsteht, wie sich bestimmte Zukunftsbilder entwickeln, und welche Auswirkungen verschiedene Vorstellungen der Zukunft und unser heutiges Handeln mit sich bringt.

Futures Literacy beruht auf dem menschlichen Denkvermögen, das uns befähigt, uns etwas vorzustellen. Im Kern geht es also um die Fähigkeit der Erkennung und Erkundung der menschlichen Vorstellungskraft, da Zukünfte immer nur mentale Konstruktionen sind. Diese Fähigkeit tragen wir länger in uns als das Gehen oder Sprechen.

Der eigene Zukunftsmuskel

Als mentales Frühwarnsystem kann uns der Futures Literacy Dreiklang aus Antizipation, Reflexion und Imagination helfen, zu erkennen, wie unser Handeln oder eine Idee in anderen Kontexten oder Zeiten wirkt. Es geht dabei um die Fähigkeit, nicht nur aktiv und bewusst antizipieren zu können, sondern vielmehr verschiedene Antizipationssysteme und Prozesse zu kennen, zu verstehen und je nach Kontext und Zweck bewusst zu wählen und einzusetzen. Zukunft beschreibt nicht mehr nur das, was morgen kommt, sondern steht für ein Bewusstsein, das ganz neue Denk- und Handlungsräume eröffnet.

Zukunftsfähigkeit ist eine Frage der Haltung

  • Mutig sein

    “Die Zukunft gehört den Mutigen” - in die Zukunft zu schauen, bedeutet Mut auszubrechen aus limitierenden Gedanken und aus der Komfortzone!

  • Offen sein

    Raus aus der Bewertungsfalle! Zukunft hat mit dem Neuen, mit Unwissen zu tun. Wenn wir offen sind, können wir uns fragen, ob das Neue für uns integrierbar ist.

  • Neugierig sein

    Neugierde ist die Grundlage jeglichen Lernens, für die Zukunft gilt: Fragen anstatt Antworten, raus aus der eigenen Bubble, rein ins Leben!

  • Kritisch sein

    Mit allen Neuerungen, Innovationen und im Zeitalter der Informationsflut ist es wichtig uns in einem kritischen Blick zu üben. Was sind Fakten, was sind Meinungen? Ist das Neue in mein Wertesystem integrierbar oder nicht?

  • Vorrausschauend sein

    Vorausschauend Denken lernen, erahnen, welche Konsequenzen Innovationen oder Trends haben! Mit Methoden der Zukunftsforschung dürfen wir das üben.

  • Selbstbewusst sein

    Wer bin ich? Was brauche ich? Was will ich? Was kann ich? Mit der Erkennung des Selbstwertes als Bewusstsein seiner Selbst kommen wir in eine resiliente Haltung. Sie gibt uns den Anker in turbulenten Zeiten.

  • Visionär sein

    Die wahren Realist:innen sind Idealist:innen. Auf die Herausforderungen in unserer Welt können wir mit Visionen antworten. Werteorientierung und visionäre Zukunftsbilder wird der Leitstern unseres Handelns.

  • Aktiv sein

    Die Welt aktiv mitgestalten, weil ich weiß, dass ich etwas bewegen kann. Im Kleinen das Große gestalten. Ich bin Zukunftsbauer:in!

Keine Zukunft ohne Geschichten und Bilder

 

Bilder zu konstruieren ist eines der wichtigsten menschlichen Werkzeuge, denn sie eröffnen neue gedankliche Horizonte, bringen aber auch abstrakte Ideen zusammen. Bilder „ziehen“ uns unterbewusst in die Zukunft. Deshalb inspiriere ich Menschen mit fiktiven Berufsbildern Neues in die Welt zu tragen.

Sprache, Bezugspunkte, Kultur und Kontexte spielen eine wichtige Rolle, wenn es um Zukunftsbilder geht. Daher ist die Arbeit mit Visionen wichtig. Diese setzen Orientierungspunkte in einem abstrakten Raum. Sie helfen uns, trotz Unsicherheit eine Resilienz aufzubauen und hoffnungsvoll zu bleiben. Hierfür aber müssen wir die Kernfrage ändern, die wir in Bezug auf Zukunft meistens stellen.

Was wir dringend brauchen, ist ein neuer, kollektiver Zukunftsmut. Um Zukunftsvorstellungen aktiv zu erkunden, neue und vielfältige Bilder möglicher Entwicklungen zu zeichnen. Und zwar solche, die auf Wünschbarkeit aufbauen und uns motivieren und helfen, geistige Anker in einem Meer aus Ungewissheit zu setzen.

Unser Futures Literacy Ansatz: Heute schon Rollen für morgen entwickeln!

 

Schon mal von diesen Berufen gehört? Korallenriff-RehabilitatorIn, Bio-Bubble-BauerIn, Hologramm-ArchitektIn, Mars-KolonisatorIn oder 3D-Organdruck-LaborantIN?

Wahrscheinlich nicht, denn diese Zukunftsberufe entstanden im Rahmen unserer gemeinnützigen Bildungsarbeit an Schulen oder in Workshops. Aufbauend auf Visionen, Werten, Trends und Potentialen lassen wir SchülerInnen eigene Ideen für Berufe der Zukunft gestalten und tragen diese als visionäre Impulse in die Welt der Erwachsenen. So lassen sich Arbeitswelten von morgen schon heute gemeinsam gestalten.
Lasst euch inspirieren!